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Grenzgänge zwischen Montblanc und Monterosa

Skifahren mit atemberaubender Kulisse und Grenzen zu queren – etwa auf der höchstgelegenen Piste im Weltcup – , ist im Aostatal zwischen Italien, Frankreich und der Schweiz Alltag und hat Geschichte und Menschen in der autonomen Region geprägt. Mit kühnen Seilbahnprojekten knüpft man die historischen Bande nun neu.
Verschneites Bergpanorama bei blauem Himmel im Aostatal.
©

Christoph Schrahe

Die Sonnenterrasse der Berghütte Chez Ollier im Skigebiet von Courmayeur ist ein Ort, an dem man sich unweigerlich fragt, ob man sich gerade dem „dolce vita“ oder dem „savoir vivre“ hingibt oder gleich beidem, dem süßen Leben zum Quadrat sozusagen. Schließlich ist man in Italien, gesprochen wird aber Französisch oder auch das lokale Patois, ein galloromanischer Dialekt. Jedenfalls biegt sich der Tisch unter den schmackhaftesten Köstlichkeiten, die die Nachfahren der Gallier und Römer ersonnen haben. Der Rotwein, die Felle auf den Bänken und die Märzsonne wärmen die heiter plaudernden Gäste, die sich teils nicht nur ihrer Winterjacken entledigt haben, und man begreift, warum so mancher ohne Ski hier hinaufkommt.

Qualität auf der Skipiste

Aber solange die Leute das süße Leben genießen, verstopfen sie nicht Courmayeurs Skipisten. Auf denen hat man zum Glück ziemlich freie Fahrt, vor allem gegen Nachmittag. Offenbar kriegen nicht alle Schneesportler nach dem Mittagessen die Kurve zu weiteren Schwüngen, sondern leiten übergangslos das Après-Ski ein. Das pulsiert besonders im angesagten „Super G“ an der Mittelstation Chécrouit, intensiv und ausdauernd, die Seilbahn hinunter nach Courmayeur fährt bis Mitternacht. Wer hier eine Woche verbringt, hat allerdings auch keinen Druck, das Areal abfahren zu müssen. Das schafft man angesichts dessen überschaubarer Größe in ein, zwei Tagen.

Was Courmayeurs Pisten in der ostexponierten Bergschale von Chécrouit und an den dahinterliegenden Nordwesthängen über dem Val Veny an Quantität abgeht, machen sie durch Qualität absolut wett. Da sind zum einen die sich immer wieder wandelnden Ausblicke auf den gewaltigen Montblanc, die eindrucksvollen Grandes Jorasses (4.208 Meter), den Glacier du Miage, Italiens längsten Gletscher, dessen drei Zungenenden bis in den Wald am Grund des Val Veny hinunterlappen, und den riesigen Eisbruch des Brenva-Gletschers. Da muss man einfach immer wieder stehen bleiben und diese gigantische Bergwelt bestaunen.

Anspruchsvolles Skifahren

Außerdem bieten die selektiven, gut geneigten und meist recht breiten Pisten ideales Terrain für schnelles, Endorphin-maximierendes Fahren, zum Beispiel die direkt gegenüber dem Montblanc hinabstürzende Comba Moretta. Wer Buckel möchte, findet sie in der Trasse des zugehörigen Sessellifts Gabba. Von den fünf schwarzen Pisten ist die Rocce Bianche diejenige mit der schönsten Aussicht und die Pista dell’Orso die anspruchsvollste.

Erst seit Kurzem gibt es auch eine Piste vom höchsten Punkt des Skigebietes, der 2.755 Meter hohen Testa d’Arp. Ihren Status als hervorragender Ausgangspunkt für Abfahrten im freien Gelände schmälert das nicht. Die Route durch den Vallone Arpetta führt bis in den Ortsteil Dollone. Auf der Rückseite wartet das weite Tal von Youlaz mit seinen unzähligen Varianten und der Möglichkeit, bis in den Weiler La Balme (1.340 Meter) an der Straße zwischen Courmayeur und La Thuile abzufahren.

Skifahrer auf Piste vor weitem Bergpanorama im Aostatal.
© Christoph Schrahe

Ein halbes Dutzend Talabfahrten

La Thuile und Courmayeur könnten kaum gegensätzlicher sein. Als das Bergführerbüro von Courmayeur – das zweitälteste der Welt – 1950 sein 100-jähriges Bestehen feierte und Courmayeur längst beliebter Treffpunkt der Reichen und Schönen war, lebten die „Tchuilliens“ im wenige Kilometer entfernten La Thuile noch vom Kohlebergbau – und das nur wenig besser als zu den Zeiten, als die Landwirtschaft die einzige Existenzgrundlage war. Als nach dem Krieg billige Kohle die Weltmärkte überschwemmte und das Bergwerk 1966 endgültig schließen musste, sah man sich nach Alternativen um und beschloss angesichts der schneereichen Winter, ins Geschäft mit den Skifahrern einzusteigen.

Mit Erfolg: Während Courmayeur nur eine einzige Talabfahrt bietet, die so attraktiv ist, dass erst Besuch aus Deutschland kommen musste, damit eine Einheimische wie Maria Chiara sie das erste Mal hinunterfuhr, zählt La Thuile ein halbes Dutzend Abfahrten bis hinunter ins Dorf. Der Star ist die von der FIS als Herrenabfahrtsstrecke homologierte Nummer 3. 2016 gastierte der Weltcup mit zwei Abfahrten und einem Super-G der Damen in La Thuile.

Grenzübergreifender Skigenuss

Das Skigebiet mit seinen tatsächlich überwiegend leichten 154 Abfahrtskilometern bietet fast viermal so viel Auslauf wie Courmayeur und zu den 25 größten der Alpen. Den Schritt zum Großraumgebiet ging La Thuile 1984 durch die Realisierung der grenzüberschreitenden Verbindung mit der französischen Station La Rosière drüben in der Tarentaise.

Espace San Bernardo heißt das Verbundgebiet zu beiden Seiten des legendenumrankten und oft umkämpften Alpenübergangs. Anstelle von römischen Garnisonen, mit Elefanten verstärkten punischen Heeren und Truppen aus Savoyen nutzen heute also friedliche Wintersportler den Kleinen Sankt Bernhard für ihr Hin und Her. Früher war eben doch nicht alles besser. In der magischen Landschaft der weitläufigen Passhöhe lädt die kleine, gemütliche Bar du Lac zu einem kurzen Boxenstopp samt Espresso oder Cappuccino ein.

Gleich nebenan hebt eine Gruppe von vier Skifahrern plus Guide mit dem Hubschrauber zum Heliskiing ab, eine Abfahrt kostet 150 Euro. Im Gegensatz zu Frankreich ist Helikopterskilauf in Italien erlaubt. Top-Ziel in den Bergen rund um La Thuile und Blickfang von den Pisten ist der neun Quadratkilometer große Gletscher von Rutor, der an skandinavische Plateaugletscher erinnert. Fast 2.000 Höhenmeter misst die Abfahrt bis hinunter ins Dorf. Direkt über dem Pass wird der 3.068 Meter hohe Mont Miravidi angeflogen. Mehr Extravaganz leistet sich La Thuile nicht. Es ist ein Ziel für Familien und sportlich fokussierte Gäste, Feiern spielt hier keine Rolle, weder am Nachmittag noch in der Nacht.

Aufnahme aus dem Skigebiet mit Wegweisern vor schneebedeckten Bergen im Aostatal.
© Christoph Schrahe

Skigebiet mit internationalem Flair

Das sieht in Breuil-Cervinia schon wieder ganz anders aus. Es ist das hierzulande wohl bekannteste Wintersportziel des Aostatals, vor allem weil sein Skigebiet mit dem von Zermatt in der Schweiz verbunden ist und es sich mit Zermatt das genau auf der Grenze stehende Matterhorn teilt. Während Courmayeur gästemäßig eine fast ausschließlich italienische Veranstaltung ist, ist Cervinia geprägt durch seine internationale Schar von Schneesportenthusiasten aus allen Winkeln dieser Welt: Brasilianer, Südafrikaner, Israelis, Amerikaner, Briten, Osteuropäer – es gibt kaum eine Nationalität, die hier nicht vertreten ist. Italiener stellen tatsächlich nur ein Drittel der Gäste.

Schweizer und Deutsche logieren kaum in der 2.000 Meter hoch gelegenen Retortenstation. Auf deren Pisten sind sie trotzdem unterwegs. Sie liften von Zermatt aus auf das Klein Matterhorn (3.820 Meter) und fahren von dort aus über das Plateau Rosa zum Grenzgipfel Testa Grigia (3.480 Meter), wo die Seilbahn von Cervinia hinaufkommt, und weiter entweder über die unvergleichlich schöne Ventina-Piste oder via Theodulpass hinunter nach Cervinia. Bevorzugt zum Mittagessen, weil das in Italien trotz Cervinias durchaus hohem Preisniveau immer noch um einiges preiswerter als bei den Eidgenossen ist.

Grenzübergreifende Weltcupstrecke

Bei so viel Internationalität verwundert es nicht, dass ausgerechnet hier im Herbst das erste grenzüberschreitende Weltcuprennen der Geschichte geplant ist – die anvisierte Premiere im Oktober 2022 fiel dem Schneemangel zum Opfer. Start ist auf einer Höhe von 3.700 Metern auf der Schweizer Seite, das Ziel befindet sich am Lago Cime Bianche auf 2.835 Meter Seehöhe. Die „Gran Becca“, die „Matterhorn-Piste“, ist damit nicht nur die einzige internationale, sondern auch die höchstgelegene Strecke auf dem Weltcupkalender.

Im Herbst 2023 kann der Start sogar direkt am Klein Matterhorn erfolgen, weil Athleten, Ski- und auch Halbschuh-Touristen es dann nämlich vom Lago Cime Bianche aus mit nur zwei Sektionen Seilbahn erreichen werden. Für den seilbahntechnischen Lückenschluss zwischen Italien und der Schweiz sorgt die Alpine Crossing genannte 3S-Bahn, die von der Testa Grigia aus über 1,7 stützenfreie Kilometer den Gletscher bis zur aus dem Eis herausragenden Pyramide des Klein Matterhorn überspannen wird. Eine technische Meisterleistung, die Cervinia dabei helfen dürfte, noch weiter aus dem Schatten hinauszutreten, den sein nördlicher Nachbar seit dem 14. Juli 1865 wirft, als die Erstbesteigung des Matterhorns von Zermatt und nicht von Cervinia aus gelang.

Skifahrer auf der Piste vor verschneiten Bergen im Aostatal.
© Christoph Schrahe

Seilbahn zur Zeitenwende

Andernorts im Aostatal denkt man noch darüber nach, mit einem kühnen Projekt eine Zeitenwende herbeizuführen, einem Projekt, das auch eine historische Verbindung wiederbeleben würde: den Zusammenschluss des Skigebietes Monterosa mit Cervinia und damit auch dem Wallis – von wo aus die Täler südlich des höchsten Schweizer Bergmassivs einst besiedelt wurden. Dafür bräuchte es eine rund 7,5 Kilometer lange Seilbahn von Frachey im hinteren Val d’Ayas zum Colle delle Cime Bianche. Entstehen würde das viertgrößte Skigebiet der Welt. Landschaftlich wäre es dank der Möglichkeit einer fast kompletten Umrundung des 4.634 Meter hohen Monte-Rosa-Massivs zweifelsfrei das großartigste des Planeten.

Noch bleibt diese unvergleichliche Runde jenen vorbehalten, die entweder von der 3.275 Meter hohen Seilbahnstation Punta Indren zu Fuß oder vom Übergang ins piemontesische Valsesia, dem 2.980 Meter hohen Passo dei Salati, per Helikopter zum 4.246 Meter hohe Colle de Lys aufsteigen, von dort über den Grenzgletscher und den Gornergletscher nach Zermatt abfahren und via Klein Matterhorn, Colle Cime Bianche und über die anschließende Tourenabfahrt durch das Tal von Curtod wieder zurück ins Skigebiet Monterosa gelangen. Mit Heli schafft man die Runde an einem Tag, wer selbst zum Colle de Lys aufsteigt, übernachtet in Zermatt.

Pilgerort für Freerideszene

Alagna zählt eigentlich zu den heiligen Pilgerorten der Freeride-Community, die Seilbahn zur Punta Indren bedient ausschließlich freies Gelände. In der Station zeigt eine Grafik die üblichen, beeindruckenden Schneefallmengen. Doch aktuell fehlt der Schnee, die Seilbahn steht. „Es ist der schlechteste Winter seit Bestehen des Skigebietes“, resümiert Nicolas. „Ähnlich schlimm war es nur 1981. Weil wir da noch keine Beschneiung hatten, fiel die Saison komplett aus.“ So etwas passiert heute zum Glück nicht mehr, die Pisten sind zu 95 Prozent beschneit.

Genug Gelände, um bis zum Nachmittag dieses gute Gefühl herbeizufahren, sich ein paar Extra-Kalorien gönnen zu können. Gemeinsam mit Nicolas geht es daher nach Liftschluss in die Bar Castore & Polluce am Dorfplatz in Tache, wo bereits Wein, Lardo aus Arnad, Schinken, Würste und Käse sowie Rosa, Chiara, Stefano und Giacomo von der Folkloregruppe warten. An ihren aufwendigen Trachten beeindrucken besonders die kunstvoll gestickten Hauben der Frauen, auf deren Anfertigung sich nur noch eine einzige Angehörige der Walsergemeinde versteht. Angesichts der Bodenständigkeit der Menschen kann man sich zwar gar nicht so recht vorstellen, dass sie das Vorhaben, durch den Bau der Bahn nach Cervinia Teil eines Megaskigebietes zu werden, wirklich ernsthaft vorantreiben, aber stille Wasser sind bekanntlich tief.

Verschneites Bergpanorama im Aostatal.
© Christoph Schrahe
Süßes Gebäck in Auslage.
© Christoph Schrahe

Süße Versuchung

Die stellt wohl kaum eine Sünde dar, wenn selbst der Papst sich ihr hingibt. Patissier und Chocolatier Stefano Collomb, der seit seinem 14. Lebensjahr Schokoladen herstellt, präsentiert das Bild, das ihn mit Johannes Paul II. zeigt. Bei seinen Urlauben im Aostatal versorgte sich das Kirchenoberhaupt in dem kleinen Café in La Thuile mit Naschzeug. Das ist hier somit von wahrlich himmlischer Klasse, alles wird selbst gebacken, und nur die erlesensten Zutaten kommen in die Pralinen, Törtchen, Kekse und Kuchen. Jedes Jahr kreiert Collomb zwei bis drei neue Sorten. Dabei kommen dann kreative Geschmackswunderwerke wie Flower Power, eine Praline mit Mandelpaste und karamellisierten Blumen heraus. Der Klassiker ist die heiße Schokolade mit Paste aus Piemonteser Haselnüssen. Mit nach Hause nehmen seine Kunden vor allem die Tometa, eine Art Fudge. Die Tegona Valdostane, die für die Region typischen runden Mandelplätzchen, gibt es hier natürlich auch in schokoladigen Varianten. www.chocolat-collomb.it

Römerstadt im Skigebiet

Reihenweise beeindruckende Baudenkmäler aus der Römerzeit, faszinierende mittelalterliche Architektur und eine lebendige Altstadt mit liebenswerten Läden und toller Gastronomie – die von Kaiser Augustus 25 v. Chr. gegründete Stadt Aosta allein ist eine Reise wert. Es ist ein Rom im Miniaturformat, denn die Wege zwischen dem wunderschönen Stadttor Porta Praetoria, dem römischen Theater, dem Amphitheater, dem Augustusbogen oder der sehenswerten Kirche von Sant’Orso sind kurz. Neben der Kirche befindet sich ein Kreuzgang mit 40 bebilderten Marmorkapitellen – ein wahres Juwel romanischer Kunst und Architektur. Direkt in der Stadt startet die Gondelbahn hoch zum Skigebiet Pila, für das man unbedingt einen Tag einplanen sollte. Wegen seiner rassigen Pisten, wegen deren XXL-Panorama und weil in Pila die Lifte auch dann noch laufen, wenn sie in Cervinia und Courmayeur wegen Wind stehen, was leider regelmäßig vorkommt. Innerhalb einer Stunde erreicht man von Aosta zudem sämtliche anderen Skigebiete der Provinz für die es auch einen gemeinsamen Skipass gibt.

Noch mehr Infos auf einen Blick gibt es im Artikel "Skigebiets-Check: Aostatal".

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