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12 Minuten

Heimatnahe Skigebiete für Ski-Enthusiasten und Genießer (Teil 2)

Es gibt auch heimatnahe Skigebiete, die einem magisch vorkommen können. Unser Autor Christoph Schrahe stellt in zwei Teilen seine zehn persönlichen Highlights vor, in welchen Skigebieten man gefahren sein muss.
Panoramablick auf eine winterliche Berglandschaft.
©

Christoph Schrahe

Es müssen nicht unbedingt die größten, steilsten oder teuersten Skigebiete sein, die uns nachhaltig in Erinnerung bleiben. Oft sind es Kleinigkeiten, an die wir mit einem Lächeln im Gesicht zurückdenken und uns wünschen, sie noch einmal erleben zu dürfen. Das gilt auch – oder besonders – für SKIMAGAZIN-Autor Christoph Schrahe, der in über 40 Ländern abseits der Alpen bereits Ski gefahren ist.

Seine persönlichen zehn magischen Skigebiete, für die man nicht um den halben Globus fliegen muss, stellt er in unserer kleinen Serie einmal vor. Dabei stehen nicht unbedingt die schönsten Pisten im Vordergrund, sondern seine liebsten Erinnerungen an ganz besondere Erlebnisse in ganz besonderen Hotels.

Krippenstein, Obertraun, Österreich

Eigentlich wollte ich die Österreichische Nationalskitour machen, wie viele der Gäste, die Ende Januar ein Zimmer in der Krippenstein Lodge buchen. Und draußen liegen 70 Zentimeter frischer Pulverschnee der Marke extrem leichter Kanada-Powder. Doch dem fehlt die Unterlage, und somit ist hier oben auf dem zerklüfteten Karstplateau unter den Gletschern des Dachsteins an Skifahren abseits der Pisten nicht zu denken, zu gefährlich.

Einladung von Reinhold Messner

Sagt jedenfalls Anton Rosifka, und der muss es wissen. Toni war schließlich nicht nur 26 Jahre Hüttenwirt der Simonyhütte und kennt die Gegend daher wie kein Zweiter. Er war im Rahmen der staatlichen Berg- und Skiführerausbildung zuständig für den Bereich Lawinen, entwickelte das Prinzip der Kameradenrettung, bezwang 1969 als Erster die Eiger-Nordwand in nur einem Tag und entwickelte für seine extremen Touren einen neuartigen Brust- und Hüftgurt. Heute lebt er hier auf dem Krippenstein, seine Tochter und sein Schwiegersohn leiten die Lodge, in der ich wegen der unzureichenden Schneelage der einzige Gast bin.

Während draußen ein Sturm tobt, sitzen Toni und ich am Ecktisch, und er erzählt aus seinem ereignisreichen Leben, regelmäßig unterbrochen von einem verschmitzten „hihihi“ – obwohl längst nicht alle Anekdoten amüsant sind, denn sie handeln auch von tragischen Lawinenunglücken, verunglückten Bergsteigern, verpasstem Ruhm (als er die Einladung von Habeler und Messner ausschlug, mit ihnen den Everest ohne Sauerstoff anzugehen) und einer an all seinen alpinistischen Heldentaten gescheiterten Ehe. Seit einem schweren Unfall, den er fast nicht überlebt hätte, ist es mit dem Klettern und Skifahren vorbei.

Skifahren bis Juli

Stattdessen erfreut sich Toni jetzt an den skifahrerischen Leistungen seiner 9- und 11-jährigen Enkelkinder, die er beim Stangentraining per Schneemobil wieder an den Start befördert. Zwar endet die Skisaison am Krippenstein offiziell Anfang April, im freien Gelände kann man aber meist bis Mitte Mai noch bis zur Mittelstation abfahren, und einen Hang für ein paar Slalomtore findet man manchmal noch Anfang Juli.

Statt Stangen oder Powder genieße ich am nächsten Tag die acht Kilometer lange Piste hinunter nach Obertraun mit ihren Tiefblicken auf den Hallstätter See. Die sind fast so unvergesslich wie die bewegende Begegnung mit einem Menschen, dessen Innovationen vielen Freeridern das Leben gerettet haben. Vielleicht, so geht es mir durch den Kopf, verdanke ich meines heute schlicht Tonis Rat, lieber auf der Piste zu bleiben.

  • Skigebiet Krippenstein: 600–2.079 m, 7 Lifte, 10 km Pisten (plus Abfahrten im freien Gelände), www.dachstein-salzkammergut.com
  • Unterkunft: Krippenstein Lodge, Preise auf Anfrage (Zimmerkategorien vom Matratzenlager bis zur Panorama-Suite mit eigener Sauna), www.lodge.at
Skifahrer bei Abfahrt in Krippenstein.
© Oberösterreich Tourismus GmbH/David Lugmayr

Brixen, Plose, Italien

Ich solle mir an der Plose mal die Trametsch anschauen, das wäre ein potenzieller Kandidat für einen Eintrag in mein Buch über „111 Skipisten, die man gefahren sein muss“. Also kurve ich auf der Suche nach meinem Quartier den Brixener Hausberg hinauf. Die Schneedecke auf der sich steil hinaufschraubenden Straße wird immer höher, der dichte Fichtenwald in der sich hinabsenkenden Dämmerung des kalten Januarabends immer dunkler. Was dann endlich auf 1.850 m Höhe auftaucht, ist weit mehr als bloß ein Ort für die Nacht: Die Anders Mountain Suites sind eine Entdeckung.

Bis vor Kurzem stand hier noch das Hotel Aurora, ein Haus im typisch einfallslosen Stil der 70er: drei Stockwerke, 50 Zimmer, umlaufende Balkone, Giebeldach. Als der gelernte Koch Andreas Plattner das renovierungsbedürftige elterliche Hotel übernahm, beschloss er, es zukünftig anders zu machen. Statt weiter im Mittelmaß ums Überleben zu kämpfen, verwandelte Plattner das Haus in eine Design-Ikone mit nur noch sieben Suiten. Dieses Weniger bringt ihm und seiner Frau Sandra Friedrich mehr: mehr Zeit für die Familie, mehr Zeit für Gastfreundschaft. Entschleunigung by Downsizing.

Design-Hotel statt Bausünde

Man fühlt sich gleich zu Gast bei Freunden, wenn Sandra nach der Ankunft erst mal eine kleine Stärkung serviert. Innen dominieren viel Fichte und Böden aus steingrauem Zement. Puristisch geht es aber nur beim Design zu: Der begehbare Weinschrank, in dem man sich mit Andreas eine Flasche zum Abendessen aussuchen kann, ist gut sortiert, das Essen ein Ereignis. Wer will, kocht selbst. Außer über eine Küchenzeile verfügen die 65 m² großen, über zwei Etagen reichenden Suiten über eine Sauna und Betten, von denen aus man durch raumhohe Fenster auf die mächtigen Felsmassive von Peitlerkofel und der Geislergruppe schaut.

Traumhaft ist die Lage auch wegen des direkten Zugangs ins Skigebiet der Plose. Dessen Aushängeschild ist die Trametsch. Startet man am Gipfel bei der Plosehütte, kommt sie auf 1.400 Höhenmeter und sechs Kilometer Länge. Oben begeistern weite Hänge, unten erblickt man die Stadt Brixen, vor einem stehen die Dolomiten Spalier. Ab Kreuztal taucht die Trametsch in den Wald ein, und es gibt keine Flachstücke zum Verschnaufen mehr, dem Temporausch ist kaum zu widerstehen. So eine Piste sucht man in vielen größeren Skigebieten vergebens. Trotzdem: Wiederkommen will ich vor allem wegen dieses Dolomiten-Wow-Moments beim ersten Augenaufschlag, der so unvergleichlich ist, so maximal anders eben.

  • Skigebiet Plose: 1.067–2.505 m, 8 Lifte, 27 km Abfahrten, www.plose.org
  • Unterkunft: Anders Mountain Suites, Suite für 2 Pers. ab 420 Euro pro Nacht inkl. Frühstück und eigener Sauna, www.anders-suites.com
Ausblick aus einem Hotelzimmer auf verschneite Berglandschaft in Italien.
© Christoph Schrahe

Seiser Alm, Italien

Wenn die Tochter Vegetarierin ist, sich die Freundin des Sohnes vegan ernährt, die eigene Frau sich beim Skifahren eine strenge Blaue-Pisten-Diät verordnet hat, der Sohn aber bevorzugt anspruchsvolle Abfahrten konsumiert – dann ist es nicht ganz so leicht, einen Ort für einen gemeinsamen Skiurlaub zu finden. Aber es gibt ihn, wenn auch allen aufgeführten Ansprüchen genügend erst seit dem 8. Dezember 2021. An diesem Tag eröffnete auf der Seiser Alm die Piste Pilat. Sie führt in spektakulärer Linienführung kurvenreich durch die felsigen Wälder von der Hochalm hinunter nach St. Ulrich im Grödnertal. Ihre Direttissima-Variante hat bis zu 60 Prozent Gefälle, genau die Kragenweite des Sohnes.

Oben auf der Seiser Alm hingegen, dominieren wunderbar zahme Pisten der Kategorie leicht, die so herausragend gepflegt sind, dass Gefühle der Unsicherheit gar nicht erst aufkommen. Die Szenerie der weiten, sanft hingewellten Hochfläche, gesprenkelt mit sonnengegerbten Almhütten unter dicken Schneehauben und gekrönt vom erhabenen Rahmen der in gebührendem Abstand in den Himmel steilenden Dolomitenberge Schlern, Plattkofel und Langkofel trägt ebenfalls zum Wohlbefinden bei. Es ist einfach so fantastisch schön, dass unweigerlich Glückshormone den Körper fluten.

Außergewöhnliche Hotels mit außergewöhnlichem Essen

Verstreut über die autofreie Seiser Alm liegen viele teils außergewöhnliche Hotels, meist in Alleinlage und direkt an einer der Pisten. Seit 2019 ist darunter das erste vegetarische Skihotel Europas: das Paradiso Pure Living. Es ist sogar fast ein veganes Hotel, denn beim fünfgängigen Abendmenü sind stets vier Gänge rein vegan, und auf dem Frühstücksbüfett fallen Käse, Milch und Joghurt unter der Vielfalt veganer Speisen kaum auf.

Gleich den Schritt zum voll veganen Hotel zu gehen, hat sich Inhaber Alexander Spögler schlicht nicht getraut: „Schon die Umstellung auf vegetarisch hat uns 80 Prozent unserer Stammgäste gekostet.“ Für Spögler, der vor sieben Jahren vom bekennenden Fleischliebhaber zum Veganer wurde, war die Kehrtwende vom klassischen Skihotel zu einem Ort, an dem gesunde, ethisch fundierte Lebensweise, Kunst und Sport symbiotisch zusammenfinden, eine Herzensangelegenheit. Natürlich werden ausschließlich biologische Lebensmittel verarbeitet, da ist Spögler konsequent. Das bedeutet: kein Aperol, kein Campari, keine Cola. Bis Januar 2023 mussten die Gäste auch auf das örtliche Kultgetränk Bombardino verzichten. Aber dann fand Spögler in Österreich endlich einen Lieferanten für Bio-Eierlikör. Dass jetzt sogar zunächst verlorene Stammgäste wieder zurückkehren, liegt aber wohl eher an deren Kindern – siehe oben.

Verschneite Bergkulisse auf der Seiser Alm in Italien.
© Christoph Schrahe

Alpspitz, Nesselwang, Deutschland

Viele der Gebiete, in denen ich mal Ski gefahren bin, gibt es längst nicht mehr. Allein in Deutschland geht die Zahl der „Lost Ski Areas“ in die Hunderte. Zig Webseiten dokumentieren das Werden und Vergehen von Skigebieten überall auf der Welt. Die meisten davon sind kleinere und tiefer gelegene Areale. Ausradiert hat sie aber selten allein ausbleibender Schnee, der eigentlich schon viel mehr Skigebiete zur Strecke hätte bringen müssen. Schließlich hieß es schon vor 25 Jahren, dass Schneesport unterhalb von 1.500 Metern keine Zukunft mehr habe.

Skigebiete gegen den Trend

Es gibt sie aber noch, die kleinen Skigebiete in geringer Höhenlage, und manche von ihnen tätigen immer noch jene als nicht mehr zeitgemäß gebrandmarkten Investitionen in den Skibetrieb und erfreuen sich dabei bester Gesundheit (und ihre Eigentümer mit schwarzen Zahlen) – was ja eigentlich gar nicht mehr sein kann. Eines dieser Gebiete ist die Alpspitzbahn in Nesselwang im Allgäu. Die 1.500 Meter erreicht hier nicht mal die höchste Bergstation, auf Höhe der Talstation reicht der Naturschnee selten für mehr als winterliche Optik.

Natürlich beschneit man zur Sicherung des Skibetriebs die meisten Pisten. Das allein wäre aber bei all den größeren und höher gelegenen Skigebiete in unmittelbarer Nähe viel zu wenig. Es muss also mehr dahinterstecken, und daher beschließe ich, statt wehmütig durch die Archive zu browsen, mir mal diesen Mutmacher anzuschauen.

Skigebiet an der Autobahn mit Blick auf Neuschwanstein

Der erste Pluspunkt offenbart sich bei der Anreise: Von der Autobahn fährt man bloß sechs Kilometer bis zum Parkplatz. Ansonsten bietet man den Allgäuern mit täglichem Flutlichtbetrieb bis 21 Uhr eine Alternative zum Skifahren am Wochenende, der großzügige Funpark erspart Freestylern eine weitere Anreise, und der neue Alpine Coaster bietet Action auch für Nichtskifahrer. Die fahren mit den Gondeln der Kombibahn auch gerne hinauf zum Sportheim Böck, von dessen Terrasse man Schloss Neuschwanstein und die Zugspitze bewundern kann.

Dieses grandiose Panorama bieten auch die vier Lodges, die hier oben ebenso wie das äußerst einladende Bergrestaurant von der Alpspitzbahn betrieben werden. Die exklusive Lage, die Ausstattung mit Sauna, Kamin und geräumigem Wohnzimmer und das Wohlfühlambiente mit viel Holz und Erdtönen bescheren Gäste, die auf Pistenkilometer gerne verzichten, nur um einmal Zeit in diesem traumhaften Hideaway zu verbringen. Meine Frau würde es lieben, denke ich, als ein fantastischer Sonnenuntergang dem Ganzen die Krone aufsetzt. Pistenkilometer sind ihr sowieso egal.

Schneebedeckte Bäume vor verschneiter Bergkulisse in Nesselwang.
© Christoph Schrahe

Titlis, Engelberg, Schweiz

Kurz nachdem ich mit 15 meinen ersten Skiatlas bekam, fing ich an, Pisten zu vermessen. Erst mit Wanderkarten und Lineal, nach meinem Kartografiestudium mit GPS-Gerät und speziellen Computerprogrammen. Als ich einem Kollegen einmal beiläufig davon erzählte, was ich dabei herausgefunden hatte, dass nämlich die Angaben der Skigebiete in vielen Fällen deutlich übertrieben wären, bat er mich, darüber mal in seiner Zeitung zu schreiben. Der Beitrag sorgte für einigen Wirbel. Das ZDF beorderte mich zum Dreh und zum Nachmessen an den Titlis, der mit 82 beworbenen gegenüber 38 auffindbaren Pistenkilometern eine besonders große Diskrepanz zwischen Werbe- versprechen und Wirklichkeit aufwies.

Qualität statt Quantität

Zugleich wurde mir am Titlis bewusst, dass die reinen Abfahrtskilometer zu kurz greifen, um die Dimension eines Skigebietes treffend zu erfassen. Dieser Berg bietet zwar nicht enorm viele, dafür aber sehr lange Abfahrten über mehr als 2.000 Höhenmeter und sehr reich gegliedertes Gelände mit Bereichen ganz unterschiedlichen Charakters. So entstand die Idee mit den Skimeilen, einer Kennziffer, die zehn unterschiedliche Größenmerkmale einbezieht und diese ähnlich wie beim olympischen Zehnkampf zu einem Gesamtwert zusammenführt.

Und müsste es nicht eigentlich noch eine qualitätsbezogene Klassifizierung mit Schneesternen geben, die den Komfort beim Auf- und Abfahren bewertet – nach dem Vorbild der Hotelklassifizierung? Auch diese Frage ging mir in Engelberg durch den Kopf, als ich hier (einige Jahre nach dem ZDF-Dreh und damit nicht auf Kosten der Gebührenzahler!) im Fünf-Sterne-Hotel Kempinski Palace eincheckte und einigermaßen verwundert feststellte, was für einen Unterschied dieser fünfte Stern offenbar machen kann. Dabei waren es nicht die vielen durchdachten Ausstattungsdetails, die Möbelmarken, Quadratmeter oder die vielen verfügbaren, aber nicht alle benötigten Services, die dieses Gefühl des absolut Besonderen erzeugten (auch wenn sie sicher dabei halfen), sondern die Menschen, die sich im Kempinski Palace um das Wohl der Gäste kümmern. Sie kommunizieren so offen, unverstellt, nahbar und herzlich, dass man sich gleich zu Hause fühlt und spürt, dass sie bei dem, was sie tun, echte Freude empfinden. Sie scheinen ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht zu haben. Es brennt eben nicht jeder fürs Pistenvermessen, und das ist bestimmt auch gut so.

  • Skigebiet Titlis: 1.003–3.020 m, 16 Lifte, 38 km Abfahrten (aber 180 Skimeilen!), www.titlis.ch
  • Unterkunft: Kempinski Palace Engelberg*****, DZ ab ca. 620 Euro inkl. Frühstück, www.kempinski.com
Skifahrer bei Abfahrt durch Tiefschnee in Titlis in der Schweiz.
© Christoph Schrahe

Im Artikel "Heimatnahe Skigebiete für Ski-Enthusiasten und Genießer (Teil 1)" stellt Autor Christoph Schrahe fünf weitere Magic Ski Places vor.

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