Fast jeder hat einen, doch kaum jemand hat sich intensiv damit beschäftigt: Ein Skihelm wird oft nebenbei gekauft, dabei ist er eines der wichtigsten Teile unseres Ski-Equipments. Und er gehört spätestens alle fünf bis acht Jahre ausgetauscht. Zumal sich auf dem Sektor sehr viel tut: Es wird intensiv geforscht, immer neue Features und Technologien kommen auf den Markt. Höchste Zeit also, den Helm ins Spotlight zu bringen. Deshalb haben wir mit Gregory Castanier, Produktmanager Wintersport bei Decathlon, über die Entwicklung gesprochen.
SKIMAGAZIN: Gregory, inzwischen sieht man kaum noch Skifahrer ohne Helm. Warum ist das Tragen so wichtig und worauf muss man beim Kauf achten?
Gregory Castanier: Stimmt, in Europa ist die Nutzungsquote sehr hoch, aber ein kleiner Teil fährt immer noch ungeschützt, deshalb müssen wir Sportartikelhersteller umfassend über Sicherheitsaspekte im Bergsport informieren. Denn auch wenn der Helm zunächst den Kopf schützt, ist sein primäres Ziel, das Gehirn vor Verletzungen zu bewahren. Deshalb ist die richtige Passform essenziell – besonders der Kinnriemen muss sitzen, zwei Finger sollten dazwischenpassen. Viele, speziell Kinder, tragen ihre Helme leider falsch.
Der Helm ist ein enorm wichtiger Teil der Ausrüstung, deshalb tut sich in der Entwicklung sehr viel. War das auch ein Grund dafür, dass ihr wie im Ski-Segment mit einer eigenen Entwicklungsabteilung hochwertige Modelle produziert, statt auf Modelle etablierter Hersteller mit Private Labeling zurückzugreifen?
Decathlon entwickelt seit 30 Jahren Wintersportprodukte und ist seit 25 Jahren am Fuße des Mont Blanc bei Chamonix ansässig. Unsere Teams, selbst begeisterte Wintersportler, entwickeln Produkte nahe an den Bedürfnissen unserer Kunden und testen sie direkt im Schnee, nur 15 Minuten vom Entwicklungszentrum entfernt. Unsere firmeneigenen Experten verfügen über eine ideale Infrastruktur mit eigenen Testlabors. Deshalb war für uns klar, mit all dieser Expertise alles inhouse abzubilden – und darauf sind wir auch sehr stolz!
Wie lange dauert insgesamt die Entwicklung eines neuen Skihelms?
Ungefähr zwei Jahre, abhängig von Innovation und Technizität. Wir beginnen mit numerischen Simulationen, gefolgt von Tests bei unseren Produktionspartnern und in unserem zertifizierten Labor in Lille. Danach erfolgt ein externer Test. Schließlich testen unsere Teams die Helme auf der Piste und im Pulverschnee. Unsere Sicherheitsstandards übertreffen die europäischen Vorgaben: Statt sechs Schlagpunkten, wie vom Gesetz gefordert, testen wir den Helm an 80 Punkten, um maximale Widerstandsfähigkeit zu gewährleisten.
Klagen hört man oft von Brillenträgern. Für sie ist das Thema Visierhelm sehr spannend, polarisiert jedoch. Für einige Skifahrer kommt ein Kauf allein wegen des Looks nicht in Frage. Welche Überlegungen fließen da beim Entwickeln ein?
Visierhelme waren lange wegen Design und Passform verpönt, obwohl sie besonders für Brillenträger sehr gut geeignet sind. Doch das Design und die Technologien haben sich stetig verbessert, deshalb werden sie auf der Piste immer beliebter – mit einfacherem Rotationssystem, besserer Visierintegration und -qualität. Auch wir haben zwei ganz neue Helme mit einem innovativen Rotationssystem entwickelt, den PST550 und den PST950. Bei deren Konzeption und Ausstattung haben wir auf mehr als nur eine einfache Rotation des Visiers von der oberen in die untere Position, in der es dicht am Gesicht abschließt, geachtet. Wir haben eine Übersetzungsstufe hinzugefügt, die den Komfort und das Handling deutlich erhöht. Dazu kommt ein XXL- Visier für ein größeres Sichtfeld. Besonders für Brillenträger ist das entscheidend, da das Visier die Brille nicht berührt.
Welche Vorteile haben moderne, hochwertige Visierhelme gegenüber herkömmlichen Modellen und einer Skibrille?
Da gibt es einige! Der größte Vorteil ist die Sicht: Das Visier bietet ein größeres Sichtfeld als eine Skibrille, tote Winkel werden reduziert. Dank des neuen Visier-Verschlusssystems ist die Passform verbessert, und durch zwei Dichtungen sowie Anti-Beschlag-Behandlung wird Feuchtigkeit vermieden. Besonders für Brillenträger bieten diese Helme eine kostengünstigere und gleichzeitig bequemere Alternative zu teuren Helm-Goggle-Sets. Wie wichtig war euch ein austauschbares Visier bei diesen Neuentwicklungen? Das Wetter in den Bergen ist unvorhersehbar, kann schnell umschlagen, und die Lichtverhältnisse ändern sich oft. Ob man eine Woche Ski fährt oder bei jedem Wetter auf die Piste geht: Das Visier muss oft gewechselt werden, um Komfort und höchstmöglichen Schutz zu gewährleisten. Klassische Visierhelme erfordern Werkzeug für den Wechsel – das war uns zu umständlich. Unser Ziel war es, den Wechsel einfach und schnell zu machen, ohne Werkzeug.
Das Belüftungssystem ist ebenfalls wichtig, oder?
Kommt zu viel Luft in den Helm, friert man. Und zu wenig Luftzufuhr sorgt für einen Wärmestau … Belüftung ist nicht das Wichtigste, trägt aber zum Komfort bei. Tests haben gezeigt, dass individuelle Unterschiede, wie etwa die Frisur, die Ergebnisse beeinflussen. Daher führen wir nun numerische Tests bei Geschwindigkeiten von 7 bis 40 km/h durch. Dabei gab es kaum Unterschiede. Das beste System ist wie bei unserem neuen Helm individuell einstellbar, da Komfort sehr subjektiv ist. Wo liegen die Unterscheide zwischen Mittelklasse- und High-End-Helmen? In puncto Sicherheit und Technik gibt es keinen Unterschied. Sowohl ein Mittelklassemodell als auch ein High-End-Produkt durchlaufen alle unsere Tests, bevor sie in den Verkauf gehen. Was einen Unterschied macht, ist das Zubehör, der Komfort, die Komponenten oder ob es etwa eine Partnerschaft mit MIPS für besondere Features gibt. Der Preis ist keine Frage der Sicherheit und muss es auch nicht sein. Wir wollen, dass alle maximal geschützt sind!
Vielen Dank für das Gespräch!
Weitere Infos unter: www.decathlon.de/wintersport
Unser Experte zum Thema
Gregory Castanier hat 2001 bei Decathlon angefangen und ist seit 2018 Produktmanager für den Wintersportbereich, wo er sich auf die Entwicklung von Helmen spezialisiert hat. Er ist begeisterter Wintersportler und arbeitet akribisch an neuen Designs für Ski & Snowboardhelme.