Heizen mit Schnee
Das Sauerland: Vorreiter bei Beschneiungs-Innovationen

Skiliftkarussel Winterberg/Marco Kraft
Der Klimawandel bedroht unsere Winter und damit auch viele Skigebiete. Im kompletten Alpenraum, ganz besonders jedoch bei uns in Deutschland, wo es kaum hoch gelegene Destinationen gibt. Die Winter werden immer kürzer und wärmer. Statt Schnee fällt leider viel zu oft Regen. In der Saison 2023/24 gelang es mancherorts trotz vorhandener Beschneiungsanlagen nicht, durchgehend eine fahrbare Schneeunterlage zu bieten. Viele Skigebiete kamen auf kaum mehr als 30 Betriebstage. Im sauerländischen Winterberg hingegen liefen einige Lifte an allen 127 Tagen (!) zwischen dem 1. Dezember und dem 5. April – auf gerade mal rund 700 Meter Meereshöhe.

EFFEKTIVE SCHNEEPRODUKTION – EGAL BEI WELCHEM WETTER
Möglich machte das nicht allein die entlang der Winterberger Pisten bestens aufgestellte konventionelle Beschneiung mit Schneilanzen und Propellermaschinen, die nach wie vor nur bei ausreichenden Minusgraden funktioniert, sondern der Einsatz von Maschinen, die die erforderliche Kälte für den Übergang des Aggregatszustands von flüssig zu fest selbst herstellen. Wie Schifffahrtscontainer sehen sie aus. Doch statt Waren zu transportieren, produzieren sie Schnee. Sogenannte Allwetter Schneeanlagen funktionieren im Prinzip wie überdimensionierte Kühltruhen. Auf gekühlte Metallplatten wird in den Anlagen eine dünne Wasserschicht gesprüht, die dort sofort gefriert. Durch kurzes Erhitzen der Platte fällt das Eis ab. Das entstandene Eisgranulat wird anschließend mit einem Gebläse über Rohre ins Freie geleitet. Meist werden Allwetter-Schneeerzeuger zur Sicherung von Sportevents wie Skisprung- oder Langlaufweltcups eingesetzt. Das Winterberger Skiliftkarussell ist das weltweit bisher einzige Skigebiet, dass die Technik flächendeckend für die Beschneiung von Pisten für den Publikumsskilauf einsetzt – ab dem Winter 2025/26 auf bis zu sechs Kilometer Pisten, die nach aktueller Planung von neun Sesselbahnen bedient werden. Im November wird damit begonnen, für die Saison vorzuproduzieren. An den Pistenrändern wachsen dann langsam, aber sicher meterhohe weiße Kegel, die dort natürlich der Witterung ausgesetzt sind. Plusgrade und Regen können den Kegeln aber relativ wenig anhaben, weil die Eispartikel mit bis zu minus sieben Grad aus dem Allwetter Schneeerzeuger kommt und Wasser oberflächlich abfließt. Die Schmelzverluste sind daher gering, und so können die Pistenraupen kurz vor dem nunmehr fest planbaren Saisonstart am 1. Dezember damit beginnen, die Haufen zu verteilen – dank GPS-gestützter Schneehöhenmessung geschieht das besonders gleichmäßig und effizient. Bei Bedarf laufen die Allwetter-Schneeanlagen auch während der Saison weiter und sorgen für Nachschub, um den Schmelzverlust auszugleichen, der nach dem Verteilen weitgehend dem des „klassischen“ technischen Schnees entspricht.
BEEINDRUCKENDE ENERGIEEFFIZIENZ
Wenn nicht das sibirische Hoch für Kälte sorgt, sondern diese für die Schneeproduktion hergestellt werden muss, stellt sich genau wie beim Kühlschrank natürlich die Frage der Energieeffizienz. Der Strombedarf pro Kubikmeter Schnee liegt bei den Allwetter-Schneeerzeugern deutlich über dem einer konventionellen Beschneiung. Um den damit verbundenen ökologischen Fußabdruck zu minimieren, setzen die Winterberger Liftbetreiber wie auch bei den Liftanlagen zu 100 Prozent auf Strom aus erneuerbaren Energieträgern, den sie zum Teil mit eigenen Photovoltaikanlagen selber herstellen. Sie gehen jetzt aber noch einen Schritt weiter. Ab dem kommenden Winter wird erstmals die entstehende Abwärme einer Allwetter-Schneeanlage genutzt, zunächst zur Beheizung von Restaurant, Skiverleih und Mitarbeiterwohnungen im direkt am Großparkplatz Bremberg gelegenen Schneewittchenhaus. Eine weitere große Skihütte soll zum Winter 2025/26 folgen. Je nachdem, ob solche Maschinen für möglichst große Schnee- oder Wärmeausbeute ausgelegt sind, kann aus ihnen hinten mehr Energie in Form von Wärme herauskommen, als vorne an Strom reingesteckt wird. Perfektioniert hat man das höchst nachhaltige Prinzip der Plusenergiebeschneiung in der Skihalle Snø im norwegischen Oslo. Dort wurde zusammen mit der überdachten Piste ein neuer Stadtteil errichtet, dessen Häuser und Wohnungen ihre Wärme aus der Skihalle beziehen, die eigentlich eine gigantische Wärmepumpe ist.

INNOVATIVER VORREITER
Mit grünem Strom betriebene Beschneiungsanlagen zum Heizen einzusetzen, dadurch klimaschädliche Öl- und Gasheizungen über flüssig zu machen und zugleich absolute Schneesicherheit zu erreichen, ist ein Konzept, dass die Branche revolutionieren könnte. Das Pilotprojekt in Winterberg ist Teil einer 5-Millionen-Euro-Investition. „Um die hohen Qualitätsstandards halten zu können und den Skiurlaub für unsere Gäste planbar zu machen, müssen wir Schneesicherheit haben. Das bedeutet nicht, dass wir ausschließlich auf den Winter setzen. Aber die Einnahmen im Winter sind wichtig, um Investitionen in den Sommer zu tätigen“, erklärt Christoph Klante, Geschäftsführer des Skiliftkarussells Winterberg. Die Allwetter-Schneeerzeuger bieten die Chance, auch in Zukunft wohnortnah und nicht mehr nur im Hochgebirge Schneesport ausüben zu können. Ein wichtiges Anliegen, wie eine Untersuchung der Wintersport-Arena zu den Effekten des Wintersportbetriebs aufgezeigt hat. Schließlich sorge der nicht nur für Umsätze, sondern auch für besondere Erlebnisse im Kreis von Freunden oder Familie und generiere dadurch auch eine „soziale Rendite“, zu der auch die gesundheitsfördernde Wirkung des Sports an der frischen Luft beitrage. Bei all dem das Klima zu schützen, ist den Liftbetreibern ein großes Anliegen, denn steigende Temperaturen gefährden auch mit Allwetter-Schneeerzeugern im wahrsten Wortsinn die Geschäftsgrundlage. Weil die bei Plusgraden dahinschmilzt und weil die Schneequalität schlicht besser ist, wenn die Quecksilbersäule im negativen Bereich verharrt – und man dann die kostengünstigere Variante der Beschneiung einsetzen kann.

Wintersport-Arena Sauerland – gut zu wissen:
• Die vier größten Skigebiete der Region beziehen seit 2020 ausschließlich Ökostrom.
• Es erfolgt Schneehöhenmessung per GPS, was den Energie-Einsatz der Beschneiung um 10 % reduziert.
• Die Pistenfahrzeuge fahren komplett mit Bio-Diesel (HVO), was die CO2-Emission um rund 90 % senkt.
• Kurze Anreisewege schonen das Klima, denn mehr als 80 % des CO2-Fußabdrucks eines Skitages entfallen auf die Anreise.
• Die Liftbetreiber haben seit 2009 großflächige PV-Anlagen installiert.
• Willingen und Winterberg sind aus dem Ruhrgebiet und dem Rhein-Main-Gebiet gut mit der Bahn zu erreichen.
Infos auf: www.wintersport-arena.de