Den Spruch „Skifahren ist Kniefahren“ hat wahrscheinlich jeder leidenschaftliche Wintersportler schon einmal gehört. Darin steckt leider mehr als nur das berühmte und viel zitierte Fünkchen Wahrheit, denn laut einer Studie eines großen Versicherungsunternehmens aus dem Jahr 2019 sind bei rund einem Drittel aller Verletzungen beim Skifahren die Knie betroffen, wobei es bei Frauen (rund 40 Prozent) sogar noch mehr sind als bei Männern rund 25 Prozent).
Eine Mitschuld an der hohen Zahl der Knieverletzungen haben die Carving-Ski, die bei einer schlechten Position auf die Innenkante gelangen und so einen sogenannten Rückwärtsdrehsturz verursachen können. Bei dieser Art von Unfall ist der Fahrer zumeist in Rücklage, belastet die Skienden, wodurch die Bänder im Knie stark gespannt werden. Wenn nun die Innenkante greift, rotiert das Schienbein gegen den Oberschenkel, und es droht eine schwere Verletzung des Bandapparates. Tatsächlich ist der Rückwärtsdrehsturz für rund 70 Prozent der beim Skifahren erlittenen Knieverletzungen verantwortlich.
Eine Revolution bei den Skibindungen
Stürze sind beim Skifahren leider nicht immer vermeidbar. Eine Weltneuheit könnte aber dafür sorgen, dass die Zahl der gefürchteten Knieverletzungen massiv gemindert wird. Dank der Skibindungsinnovation „Protector“ des Weltmarktführers Tyrolia könnten in Zukunft zumindest die gefährlichen Rückwärtsdrehstürze deutlich glimpflicher ausgehen. Ein spannender Ansatz. Doch wie soll dieses Kunststück gelingen?
„Herkömmliche Bindungen aller großen Anbieter waren bisher bzw. sind so konzipiert, dass sie das Risiko von Verletzungen des Unterschenkels verringern“, erklärt Robert Stanzl, Director International Marketing & Sales Alpine Ski Bindings bei Tyrolia. „Sie sind aber nicht geeignet, Knieverletzungen zu verhindern.“
Neue Verletzungen beim Skifahren
Seit den 1980er-Jahren hat sich diesbezüglich wenig an der Technologie und Funktionalität geändert, allerdings an den Verletzungsbildern. Mit dem Carving-Boom stieg auch die Zahl der schweren, multiplen Verletzungen des Knies, speziell des Bänderapparates, gravierend an. Auslöser dafür sind vor allem Rückwärtsdrehstürze, die 70 Prozent aller Stürze ausmachen. „Darauf haben wir uns konzentriert,“ sagt der Experte für Skibindungen. „Wir haben mit der ,Protector‘ eine Skibindung entwickelt, die ihrem Namen alle Ehre macht und Skifahrer vor schweren Verletzungen schützt.“
Protector – eine neue Skibindung
Die eigentliche Innovation der „Protector“-Skibindung, die zur Saison 2022/23 auf den Markt gekommen ist, ist der Hinterbacken, in dem die neue „FullHeel Release“-Technologie, kurz FHR, zum Einsatz kommt. „Während herkömmliche Sicherheitsbindungen an der Ferse nur vertikal auslösen, bietet die FHR eine Kombination aus einer horizontalen und vertikalen Auslösung“, führt Robert Stanzl weiter aus. „Damit kann die Tyrolia ‚Protector‘ die Auslösewerte bei einem Rückwärtsdrehsturz konstant halten.“
Vereinfacht gesagt löst der Hinterbackender „Protector“ nicht nur vertikal aus, wie herkömmliche Skibindungen, sondern auch horizontal mittels einer beidseitigen 7-mm-Horizontalbewegung. Dieser Toleranzbereich dient dazu, um in erster Linie leichte Schläge abzufedern, ohne dass die Skibindung direkt auslöst. Wenn in einer Risikosituation – etwa bei einem Sturz – die wirkenden Kräfte zu hoch werden, bewegt sich die Ferse des Skischuhs die vollen sieben Millimeter zur Seite und der Sohlenhalter schwenkt um 30 Grad, um den Skischuh freizugeben. So wird die Kraft entscheidend kanalisiert und deutlich reduziert – und damit sinkt die Gefahr einer Bandverletzung.
Tyrolia entwickelt 20 Jahre an der „Protector“
Die Entwicklung der innovativen „Protector“, die nach Meinung des SKIMAGAZINs das Potenzial hat, den Skisport zu revolutionieren bzw. nachhaltig zu verändern, hat alles in allem über 20 Jahre gedauert. Die Ingenieure haben lange getüftelt, experimentiert und geforscht. Doch es hat sich gelohnt, das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Eine Studie der Universität Innsbruck hat ergeben, dass die „Protector“ von Tyrolia die Kraft, die bei einem Rückwärtsdrehsturz aufs Knie wirkt, um mehr als 50 % reduziert werden kann, was in der Folge die Zahl der Bandverletzungen minimiert. Dabei muss man keine Angst haben, dass es beim Fahren zu Problemen kommt. „Weder steigt das Risiko von Fehlauslösungen an, noch ist der Toleranzbereich der FHR für den Fahrer merkbar“, bestätigt Robert Stanzl. So wird das Skifahren sicherer – und zwar so sehr, dass man vielleicht den Spruch vom Kniefahren bald nur noch mit Zusatz „früher einmal“ hört.