Beim Skischuh wird der Innenschuh immer noch unterschätzt

Es tut sich was im Skischuhsegment! Im Winter 23/24 stellen vier Hersteller Skischuhe mit „BOA Fit“-Verschlusssystem vor, nachdem in den Jahren zuvor die Produktentwickler an kleinen, aber feinen Details getüftelt haben. Speziell bei den Innenschuhen hat sich extrem viel getan, moderne Modelle sind quasi nicht mehr mit acht oder zehn Jahre alten Boots zu vergleichen. Durch technische Innovationen hat man jetzt eine solide Basis, auf der man seinen Skitag aufbauen kann. Wir haben mit Skischuh-Spezialist Bernd Holl über das wichtige Ausrüstungsteil Innenschuh gesprochen.

Das Fundament für Skifahrer

SKIMAGAZIN: Bernd, wie kommt es, dass dem Liner beim Skischuhkauf nach wie vor kaum Aufmerksamkeit geschenkt wird?

Bernd Holl: Stimmt, der Innenschuh war lange unterschätzt. Aber mittlerweile wissen viele Kunden viel mehr über Skischuhe und die Möglichkeiten, die wir im Fachhandel haben. Nichtsdestotrotz wird der Innenschuh noch unterschätzt – obwohl er das Fundament bildet, auf dem ein schöner Skitag aufgebaut ist! Der Fokus liegt bei vielen eher auf der Schale als auf dem, was innen steckt.

Was ist wichtiger: Innenschuh oder Schale?

(lacht) Beides ist wichtig! Ein nicht optimal passender Innenschuh ist ebenso schlecht wie eine nicht richtig funktionierende Schale und umgekehrt. Wir Fachhändler schauen darauf, dass beides sauber aufeinander abgestimmt ist. Es ergibt beispielsweise keinen Sinn, in eine weiche Schale mit niedrigem Flex einen hochsportlichen Innenschuh zu stecken.

Unterschiede zwischen Skischuhen

Gibt es denn qualitative Unterschiede zwischen den Herstellern?

In der gleichen Preisklasse nur minimal. Aber es gibt natürlich Unterschiede zwischen Schuhen für 250 und für 800 Euro. In der gleichen Preisklasse ist bei der einen Marke mal der Innenschuh etwas besser anpassbar, bei der anderen ist die Schale etwas besser. Entscheidend ist die Passform – und die kann sich von Hersteller zu Hersteller stark unterscheiden.

Nicht jeder kann und will 650 bis 800 Euro oder mehr für einen Skischuh ausgeben. Wie groß sind die Qualitätsunterschiede?

Immens! Bei Innenschuh wie bei der Schale. Günstige Boots haben meist keinen 3-D-Liner, bei dem etwa der Knöchelbereich ausgeformt ist. Generell haben hochwertige Innenschuhe eine deutlich bessere Passform – und Premium-Modelle deutlich mehr Möglichkeiten zur Anpassung. Außerdem ist die Polsterung meist wesentlich besser.

Anfängerfehler bei den Skischuhen

Ist es dann nicht gerade für Anfänger ein großer Fehler, erst einmal einen günstigen Skischuh zu wählen?

Einsteiger sollten zunächst keinen Skischuh mit hohem Flex wählen, da sie damit nicht umgehen können – von Fahrern mit 120 Kilo Gewicht mal abgesehen. Wir fragen unsere Kunden stets, ob sie es einmal versuchen oder richtig anfangen wollen. Zum Probieren kann man einen Leihschuh nehmen. Aber wer Ski fahren lernen und dabeibleiben möchte, sollte sofort einen vernünftigen Boot wählen, der richtig passt und einen nicht einschränkt. Wir empfehlen Mittelklasse-Schuhe mit besserem Vorlagewinkel, mehr Stabilität und besserer Kraftübertragung.

Was hat sich bei den Innenschuhen getan?

Es wurde zuletzt sehr viel an Schale und Liner gearbeitet. Es gibt mittlerweile tolle Innenschuhe mit exzellentem First Fit, das heißt, dass der Schuh ohne Bootfitting nahezu perfekt passt. Es gibt breitere und schmalere Innenschuhe, Low, Mid und High Volume, mit hohem oder flachem Rist. Da muss natürlich die Schale dazu passen. Immens viel hat sich bei den Möglichkeiten der individuellen Anpassung getan. Und moderne Skischuhe sind viel besser an die Anatomie des Fußes angepasst.

Was bringt eine Einlegesohle?

Wie wichtig ist da noch eine Einlegesohle?

Eine individuell angepasste Einlegesohle ist genauso wichtig wie ein guter Innenschuh. Man hat eine viel bessere Kraftübertragung, weil es keinen Hohlraum zwischen Innenschuh und Fußgewölbe gibt. Man hat einen viel besseren Stand und mehr Halt im Skischuh. Gerade Skifahrer mit leichten Fehlstellungen, etwa Plattfüßen, bekommen viel weniger Druckstellen. Die Sohle ist die Basis, auf der man den ganzen Tag steht – die muss passen.

Empfiehlst du das auch für Anfänger?

Auf jeden Fall. Durch eine angepasste Sohle hat man auch eine gleichmäßige Druckverteilung an der Fußsohle. Dadurch kann man Druckstellen weitgehend vermeiden, der Fuß bekommt einen besseren Halt, und man verbessert die Kraftübertragung. Außerdem ermüdet der Fuß nicht so schnell, weil das Fußgewölbe sauber gebettet ist. Also: Ja, eine gute Einlegesohle wertet auch einen günstigeren Skischuh deutlich auf und verbessert auch bei Anfängern die Passform und das Fahrgefühl, was den Spaß am Skifahren erhöht!

Wagen wir einen Blick in die Kristallkugel: Was kommt in den nächsten Jahren?

Einige Innenschuhe werden nun mit dem „BOA Fit“-System ausgerüstet. Hier bin ich gespannt, ob sich das etablieren und von den Kunden gut angenommen wird. Es ist schwierig geworden, etwas komplett Neues zu entwickeln, aber es tut sich immer etwas. Lange hat jetzt etwa einen neuen Skischuh, der über einen anderen Drehpunkt eine bessere Kraftübertragung gewährleisten soll.

Vielen Dank für das Gespräch!