Kalte Füße, Druckstellen, zu hohesGewicht – viele Jahre hatten speziellSkifahrerinnen Probleme, die für sichoptimal passenden Skischuhe zu finden. Sportlich-kraftvolle Fahrerinnenschnalltenmangels Alternativen lieber einen Skistiefel für Männeroder Unisex-Skischuhe mit höherem Flex-Wertundstarker Performance an – auch wenn diesebeispielsweise aufgrund der weiblichen Anatomie oftgar nicht ideal passten.
Damenskischuhe im Fokus
Bei der Skiindustrie hat seit einigen Jahren ein Umdenken eingesetzt. Inzwischen konzipieren die Entwicklungsabteilungen speziell auf die weibliche Anatomie abgestimmte Skier und Skischuhe! Einige Hersteller haben sogar eigene Damen-Teams installiert, die ihre Expertise in die Entwicklung einfließen lassen. So sind die Damenmodelle der jüngsten Skischuh-Generation inzwischen ein perfektes Beispiel dafür, dass sich Komfort und Performance nicht mehr ausschließen müssen.
Das sagt auch unser Skischuh-Experte Stephan Aßmann, der schon fast 20 Jahre in Sundern im Hochsauerlandkreis, gut 60 Kilometer nordwestlich von Winterberg gelegen, als Bootfitter arbeitet und sowohl Männern als auch Frauen zum perfekt sitzenden Skischuh verhilft. Im Interview erklärt der Experte die größten Unterschiede zwischen den Bauweisen von Männer- und Frauen-Skischuhen auf und erklärt, warum es für einige Mädels trotzdem sinnvoll sein kann, auf ein Herrenmodell bei den Skistiefeln zurückzugreifen.
Herrenskischuh oder Damenskischuh
SKIMAGAZIN: Stephan, warum ergibt ein Damenskischuh Sinn?
Stephan Aßmann: Aus einem ganz einfachen Grund: Spezielle Damenskischuhe ergeben in den meisten Fällen Sinn, da Frauenfüße oft deutliche anatomische Unterschiede zu den Pendants von uns Männern aufweisen. Wenn man Herren und Frauen bei ähnlichen Körperbaumerkmalen vergleicht, erkennt man oft einige Unterschiede, die beim Skischuhkauf wichtig sind. Neben der Länge und der Breite der Füße spielen vor allem der Ansatz der Wadenmuskulatur sowie der Umfang der Wade eine entscheidende Rolle. Anatomisch gesehen gibt es noch weitere Unterschiede wie Knöchelhöhe und -umfang, Zehenausprägung, Spanngeometrie und so weiter. Die sind aber sehr speziell und können entsprechend nicht pauschalisiert werden. Neben den anatomischen Unterschieden kommen oft noch die Kraft, das Körpergewicht und die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten ins Spiel. Diese Faktoren spielen bei den modernen Modellen der Damenskischuhe eine wichtige Rolle, was die Frauen im Findungsprozess des richtigen Skistiefels auch direkt merken. Also kurzum: Frauen haben einfach andere Füße, von daher ergeben Damenskischuhe, die auf die weibliche Anatomie abgestimmt sind, Sinn.
Welchen Unterschied gibt es zu Herrenskistiefeln und zu Unisex-Skischuhen?
Der hauptsächliche Unterschied zwischen den Skischuhen liegt im grundsätzlichen Aufbau. Nicht nur, dass die Damenskischuhe kleinere Größen aufweisen und dementsprechend auch schmaler im Vorfußbereich geschnitten sind, auch der Schaft der Skistiefel ist tiefer gehalten und hat oft einen größeren Durchmesser. Die Flex-Werte der Damenskischuhe sind oft niedriger als bei Skistiefeln für Herren. Mit diesen Merkmalen sind die Skischuh-Hersteller besonders auf die Bedürfnisse der Damen eingegangen.
Keine kalten Füße in Damenskischuhen
Einige vor allem sehr sportlich-kraftvolle Skifahrerinnen wählen allerdings Unisex-Skischuhe. Ist das sinnvoll?
Es ist zumindest nicht verboten (lacht). Ob es sinnvoll ist, muss jede Frau für sich selbst entscheiden. Bei uns wählen die meisten Kundinnen einen Damenskischuh aus und nur circa ein bis zwei Prozent der Frauen fahren ein Unisex-Modell. Für diese Kundinnen ist oft der höhere Flex-Wert ein entscheidendes Kriterium. Aber auch Frauen mit größeren Füßen bedienen sich öfter mal im Regal mit den Unisex-Skischuhen. Dennoch ist die Anzahl der Frauen, die darauf zurückgreifen, bei uns im Laden inzwischen relativ gering.
Viele Skifahrerinnen haben Probleme mit kalten Füßen. Warum frieren Frauen schneller – und welchen Einfluss haben dabei die Skischuhe?
Dass Skifahrerinnen an den Füßen schneller frieren, hat mehrere Gründe. Der Hauptgrund liegt an der Durchblutung der Extremitäten. Bei Kälte ziehen sich die Blutgefäße zusammen, und die Extremitäten werden weniger mit Blut versorgt. Dies geschieht bei Männern und Frauen gleichermaßen, allerdings bei den Frauen stärker als bei den Männern. Gegen diesen Effekt sind viele Damenskischuhe etwas dicker und mit weicheren Materialien gepolstert, damit die Füße wärmer bleiben. Die dickere Polsterung schmälert allerdings ein wenig die Performance des Skischuhs, da mehr Material zwischen dem Fuß und der Schale ist. Das ist auch ein anderer Grund, warum sportlich ambitionierte Skifahrerinnen oftmals lieber ein Unisex-Modell nehmen.
Große Nachfrage bei Damenskischuhen
Also vor allem wegen der besseren Performance beim Skifahren?
Ja, obwohl sich in Sachen Performance und Passform bei den Damenskischuhen zuletzt schon eine Menge getan hat. Die Auswahl an Skistiefeln ist größer, dementsprechend gibt es eine größere Bandbreite an Damenskischuhen mit verschiedenen Leistenbreiten – auch relativ performancestarke Skischuhe mit einem Flex-Wert von 110 oder 120. Das Wichtigste: Mit individuell angepassten Skischuhen samt entsprechend angepasster Sohle können die meisten Probleme, auch die der kalten Füße behoben werden. So erhält man einen tollen, gut sitzenden Skischuh mit einer hohen Performance ohne kalte Füße.
Wie gut sind die Lady-Performance-Skischuhe und wie groß ist die Nachfrage?
Die Lady-Performance-Skischuhe weisen einige Unterschiede zu den allgemeinen Performance-Modellen auf. Der Flex-Wert liegt beispielsweise meist 20 Punkte unterhalb desjenigen der üblichen Performance-Skischuhe. Trotz der Unterschiede sind die Verarbeitung und die Materialwahl ähnlich gut, weshalb die Nachfrage bei diesen Damenskischuhen auch konstant hoch ist.
Wohin geht generell die Entwicklung bei den Damenskischuhen?
Viele Skischuh-Hersteller sind schon auf einem sehr guten Weg und bieten Top-Skistiefel mit hohem Komfort und sehr guter Performance. Ich denke, dass sich vor allem beim Thema Gewicht noch etwas tun wird, damit die Schuhe leichter werden. Ein zweiter Bereich, in dem noch einige neue Entwicklungen zu erwarten sind, ist der der Hybridschuhe, mit denen man sowohl auf der Piste fahren als auch auf Skitour gehen kann.
Vielen Dank für das Gespräch!
Unser Experte zum Thema
Unser Skischuhexperte Stephan Aßmann ist studierter Wirtschaftsingenieur, aber der Umgang mit Skischuhen wurde ihm quasi in die Wiege gelegt. Seit seinem 14. Lebensjahr hilft der mittlerweile 33-Jährige im elterlichen Fachgeschäft Ski Baggeroer in Sundern (Sauerland) aus und hat während dieser Zeit zahlreiche Bootfitting-Seminare absolviert. Im Sommer 2022 hat Stephan nun das Skigeschäft seiner Eltern übernommen.